Tja, es wurde dann doch die „Don Lucho“. Die beiden nächsten Eduardo-Schiffe nahmen keine Passagiere mit, wann dann wieder etwas fahren würde war ungewiss und so schlugen wir zu und belegten die beiden letzten noch freien Plätze mit unseren Hängematten.
Delsi half uns beim Organisieren und kündigte ihrem Bruder Omar in Iquitos an, dass wir mit einem sehr klapprigen Kahn fahren würden. Aber unser Argument, das sei für uns ein einmaliges Erlebnis, verstanden alle. Unser Sunny stand auf einem abgeschlossenen Parkplatz neben dem Haus von Delsi. Sie konnten aus ihrem ersten Stock Sunny überwachen. Wir versorgten alle Türen mit Anti-Ameisenmittel und gaben sicherheitshalber einen Schlüsselsatz an Delsi. Wie lange wir in Iquitos bleiben würden war noch unklar- wir meinten in einer Woche wieder im Sunny zu sein.

Don Lucho bot zwar nur Platz für 13 Hängematten, dennoch fuhren 30 Erwachsene mit und unzählige Kinder, für die der Kapitän auf diesem Schiff kein zusätzliches Geld verlangte. In der ersten Nacht lagen alle, die keine Hängematte hatten, dicht an dicht auf dem Fußboden. Keine Chance, da nachts auf die Toilette zu kommen, ohne jemanden ins Gesicht zu treten. Wolfgang ist nachts vorne am Bug über die Ladung geklettert, um dieses Problem zu lösen.

Danke nochmals für die Lektüre, hier absolut passend zu lesen.

Das waren die Fahrgäste im Stockwerk über uns. Wenn sie scharrten, rieselte unten der Hühnerstreu. Außerdem war hier der Wassertank, der mit Flusswasser gefüllt wurde bis er überlief. Dann tropfte die Flusswasser-Hühnerkacke-Brühe, meistens in den Fluss, aber je nach Windrichtung….

Nachdem wir uns extra beeilt hatten um die Abfahrt um 11 Uhr nicht zu verpassen, legte das Schiff dann um 3 Uhr nachmittags ab.

Ein letzter Blick auf Yurimaguas.

Dann zog 3 Tage langsam der Urwald an uns vorbei.

Am Ufer kamen wir immer wieder an größeren und kleineren Siedlungen vorbei.

Alleine die Sonnenuntergänge waren die Reise wert.

An manchen der Orte legten wir an. Hier fanden einige unserer Hühner ein neues Quartier oder doch nur den Kochtopf?

Die Zeit verging erstaunlich schnell: Wir hatten unsere Kindles dabei, das Handy hatte oft wenigstens WhatsApp-Empfang, jedoch gabs nur nachts eine Steckdose für alle. Da war ich über unsere neueste Anschaffung, der von Tim mitgebrachten Powerbank dankbar.
Natürlich beäugten wir das Treiben unserer Nachbarn, genauso wie die uns.
Die Nächte waren erstaunlich frisch, auch wenn ringsherum die Plastikfolien herabgelassen wurden. Wir hatten leider keine Fleece-Jacken dabei, da wir ja in den Tropen waren, zum Glück aber für jeden eine Decke. Ulrike erfreute sich über etwas Privatsphäre dank des an der Hängematte integrierten Moskitonetzes. Wolfgang hatte dafür den Heck-Platz daneben. Die Moskitodichte war dank des Fahrtwindes und unserer Craighopper- bzw. Nobite imprägnierten Kleidung aushaltbar. Der Bite-away (Post-Moskitostich-thermischer Stift) musste trotzdem zum Einsatz kommen.

Für die Körperhygiene war gesorgt. In der Toilette hätte man auch mit dem reichlich vorhandenen, schlammigen Flusswasser duschen können.

Für die Entsorgung des mitzubringenden Toilettenpapieres (in Südamerika NIE in die Toilettenschüssel) diente diese kreative Lösung.
Kein einziger Abfallbehälter befand sich am Kahn. Wozu auch, wenn um einen herum der Fluß alles wegführt? Darauf konnten wir uns partout nicht einlassen und sammelten unsere nicht organischen Abfälle brav und entsorgten sie in Iquitos.

Es gab 3 warme Mahlzeiten pro Tag. Geschirr (wird als Tuper bezeichnet) und Besteck (Löffel) musste jeder mitbringen und sich dann vor der Kombüse anstellen. Unsere Nachbarn riefen uns jedemal zu, wenn wir dran waren. Also Fisch gab es nie, dafür mindestens einmal am Tag eines unserer Dachgeschoss-Viecher. Die Köchin schaffte es auf wunderbare Weise, alle Münder bzw Mägen zu sättigen. Wasser hatte jeder selber mitzubringen, unseren Tee und Kaffee haben wir aber schwer vermisst.

Die übrigen Passagiere waren einfache, aber sehr freundliche Leute. Wer mehr Geld zur Verfügung hat, nimmt eines der „Rapidos“, der Schnellboote, die die Strecke in einem statt in 3 Tagen machen, oder gleich den Flieger.
Berührungsängste darf man bei der Enge nicht haben. Nur als sich die beiden Nachbarsmädchen in der Hängematte nebenan gegenseitig gelaust hatten und ihre „Fundstücke“ in unsere Richtung schnippten, hatten wir -zu ihrem Unverständnis- Protest eingelegt. Selbst jetzt beim Tippen juckt es am Kopf, auch wenn wir alle Berufsjahre pediculosefrei überstanden haben.

Nach 3 Tagen und 3 Nächten kamen wir in Iquitos an. Der Flusshafen versorgt die ganze Region Loreto, die deutlich größer ist als Deutschland.
Unsere 7-köpfige Nachbarsfamilie- die nur einen (!) Hängemattenplatz hatte - verließ uns als eine der ersten.

Be- und Entladung der Schiffe geht wie in Vorzeiten in reiner Handarbeit über Bretter und -wenn es regnet- Schlamm.

Bei diesem Träger kann man nachrechnen, wieviel er trägt: 10 Kisten a 10 kg. Arbeitsschutz scheint hier nicht zu existieren.

Als wir in Iquitos ankamen telefonierten wir mit Omar- unserem Polizisten, den wir per Zufall in Sacanche getroffen hatten und bei zwei seiner Schwestern in Tarapoto und Yurimaguas durften wir ja auch schon verweilen.
Wir sollten ein Motokar (kannten wir als Tuktuk aus Asien) zu seinem Haus nehmen. Als der Mototaxifahrer aber hörte, dass wir kein Hotel brauchten, sondern zu einer Privatradresse wollten berichtete er dies dem Hafenchef. Ihr glaubt es nicht- der telefonierte etwas, gab irgendwelche Anweisungen und verfrachtete uns in sein Privatauto um uns sicher abzuliefern. Ja, das war echt was besonderes, denn in Iquitos kommen auf gefühlte 100 Motokar-Taxi ein Auto oder ein Minibus.

Hier stehen wir mit Omar und seiner Frau Doris, die uns so herzlich in Iquitos aufgenommen haben, vor der Hauptkirche an der zentralen Plaza. Gleich am ersten Abend haben die beiden uns eingeladen, doch das Weihnachtsfest, die heilige Nacht mit ihnen und ihrer Großfamilie zu feiern.

Wir bekamen ein Zimmer mit Ventilator und eigenem Bad in dem Haus gegenüber von Omars Familie. Zu allen Mahlzeiten waren wir eingeladen und nachdem wir am zweiten Tag uns -wie gewohnt- selbstständig auf Besichtigungstour machten, bekamen wir für weitere Unternehmungen immer einen „Aufpasser“ organisiert. Nicht nur unserem Spanisch tat es gut, auch lernten wir enorm viel über das Familienleben hier.

Eines der Wahrzeichen von Iquitos ist die „Casa de Fierro“, das eiserne Haus, konstruiert von Gustave Eiffel und von einem reichen Kautschukbaron an den Amazonas gebracht.

Es begannen die Sommerferien und überall gab es die Feiern der 16jährigen Absolventen der Secundarias.

Die Casa de Fierro am Tage.

Iquitos erlebte seinen Boom Ende des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts, als die indigene Bevölkerung brutal ausgebeutet und zum Sammeln von Kautschuk gezwungen wurde. Einige der „Kautschukbarone“ wurden dabei sehr reich und konnten sich pompöse Villen mit Kacheln aus Andalusien leisten.

Am Ufer rosten malerisch ein paar Wracks.
Wir schlossen inzwischen auch unsere Bildungslücke und schauten den Film „Fitzcarraldo“ mit Klaus Kinsky. Den Film zu sehen lohnt sicher auch in Deutschland, aber direkt hier vor Ort, wirkt er noch viel authentischer.

Auf dem zentralen Friedhof stehen neben normalen Gräbern auch einige Mausoleen der Kautschukbarone und sogar ein paar Grabsteine mit deutscher Aufschrift.

In der Stadt gibt es, wie oben schon erwähnt, kaum Autos. Man fährt entweder mit dem Bus oder mit einem der unzähligen „Motorkars“, die die Straßen beherrschen und dabei einen ziemlichen Lärm verursachen.

Blick von einem Kirchturm auf die Stadt und das Gewusel der Motokars in der Weihnachtszeit.